CC Aarau, 28.6.09

Schlussranglisten: www.mybo.ch

Vierte Qualifikationsprüfung im CC-Stilcup Wegelin & Co. 2009 / B2

Deutliche Qualitätssteigerung

Schlussrangliste B2-Stilwertung

(Fotos Tamara Acklin)

8.6.09/cam. In dieser vierten Qualifikationsprüfung amtete neu der erfahrene internationale Reiter, Trainer und Geländebauer Stephan Döll zusammen mit Barbara Welten als Stilexperte - so konnte ich ganz unbeschwert zuschauen und mich an den gebotenen Leistungen freuen, ohne diese Eindrücke gleich in Noten und Kommentaren fixieren zu müssen. Mein Gesamteindruck ist, dass seit Saisonbeginn eine deutliche Qualitätssteigerung stattgefunden hat, was stilistisch funktionales, sicheres und pferdegerechtes Crossreiten auf dieser Stufe betrifft. Natürlich ist dies eine subjektive Bewertung und man kann mir vorhalten, ich wolle eine Steigerung sehen um unser Projekt zu legitimieren, aber ich bin mir dessen wohl bewusst und versuche, erst recht kritisch hinzuschauen. So sehe ich auch durchaus die Kinderkrankheiten unseres Bewertungssystems. Wir begannen mit fünf Noten, reduzierten auf vier - und heute bin ich mit Stephan Döll der Auffassung, dass eine einzige Note genügt, da alle unsere Kriterien letztlich ganz stark miteinander zusammenhängen: Wer das ganze Cross in einem guten, flüssigen Grundrhythmus reitet, ohne Stop-and-Go, ohne Rhythmusbrecher, wie hier in Aarau vor allem der Sieger Benoît Johner und die Drittplatzierte Steffi Mylius, der muss zwingend Übersicht haben, im Gleichgewicht sein und gut führen, sonst kriegt er schon die erste Kurve nicht.

Umgekehrt: wer schlecht sitzt und zu wenig Kraft in den Beinen hat, um sich wenigstens vier Minuten lang im leichten Sitz zu halten und deshalb bei jedem Galoppsprung in den Sattel plumpst oder sich schon gar nie aus dem Sattel heraushebt, der stört sein Pferd so massiv, dass er kaum auf eine flüssige Grundkadenz kommt und bei allen technischen Kombinationen zu spät, zu träge reagiert. In aller Regel haben derart unathletische Reiter auch wenig Balance, wenig Übersicht und führen entsprechend schlecht, weil sie die Zügel immer wieder brauchen, um sich daran festzuhalten. Interessanterweise sind es nicht einmal nur schwergewichtige Reiter, die derart viel im Sattel sitzen. Es hat mehr mit Athletik, mit Kraft und Balance zu tun als mit Gewicht. Es gibt durchaus auch Fliegengewichte, die schlicht zu wenig Kraft haben, um sich in Balance zu halten und im leichten Sitz auch noch effizient zu treiben - und es gibt ReiterInnen mit ein paar Kilos zuviel, die über die nötige Kraft und Balance verfügen, ihr Pferd effizient zu unterstützen.

Aufgrund dieser starken Vernetzung unserer Stilkriterien haben wir im Sinn, im kommenden Jahr nur noch eine einzige Gesamtnote zu geben, wie dies auch in Deutschland der Fall ist. Der Vorteil ist auch, dass die Stilexperten sofort wissen, was für eine Rangliste erstellen. Denn wie bei der Dressurrichterei ist ja die Höhe der Note am Schluss sekundär, primäre Aufgabe des Richters bzw. des Stilexperten ist es, die richtige Rangfolge zu erstellen.

Eine weitere Schwäche unseres Pilotversuches sehen wir darin, dass wir für Vorkommnisse an den Hindernissen und für zu schnelles und zu langsames Reiten spezielle Abzüge geben. Auch diese Faktoren kann man durchaus in die einzige Gesamtwertnote einfliessen lassen. Wer einen Vorbeilaufer oder einen Stop hat, wird ja sowieso dafür bestraft, da er bestimmt nicht optimal geführt, das Pferd nicht vor dem Bein, nicht geschlossen gehabt hat. Einzig in Fällen, wo die Stilexperten nicht das ganze Gelände einsehen können, ist der Abzug gerechtfertigt. Auch die stärkeren Abweichungen von der Idealzeit werden in der Stilwertung direkt erfasst. Denn wer im Schneckentempo durch das Cross schleicht, erfüllt die Anforderung an Rhythmus und Kadenz nicht, und wer hirnlos schnell herumrast und gefährliche Bilder produziert, hat bestimmt Führungs-, vielleicht auch Balanceprobleme, hat das Pferd nicht geschlossen etc. Die ursprüngliche Idee, die Reiter zu animieren, ihr Tempogefühl zu entwickeln, mag bei B1-Reitern Sinn machen. Aber bereits bei den vielen gut reitenden B2-ReiterInnen wirkt es sich eher kontraproduktiv aus.

Wir werden also Ende des Stiljahres bestimmt kritisch über die Bücher gehen und versuchen, Verbesserungen vorzunehmen. Aber das Hauptziel, dass sich nicht nur die sowieso schon stilistisch stark Reitenden in einer reinen Stilprüfung des Geldes wegen messen, sondern dass möglichst alle bewusster darauf achten, WIE sie ihre Geländestrecke meistern, dieses Ziel scheint mir bereits bei Halbzeit bei vielen erreicht zu sein. Im Durchschnitt ritten die B2-Reiter in Aarau stilistisch bewusster und besser als die CNC*-Reiter! Dies zeigt, dass sich der Stil nicht automatisch mit dem Erreichen einer höheren Kategorie verbessert, sondern dass es viel mit Bewusstsein, Konzentration und auch ein ganz klein wenig mit Eitelkeit zu tun hat Denn wer will schon eine Prüfung gewinnen und dabei Letzter der Stilwertung sein? Auch viele mündliche Reaktionen der Teilnehmer gehen in diese Richtung. Ich befürchtete ursprünglich, dass sich vielleicht einige Reiter offiziell oder in Leserbriefen über die ungefragte Stilbewertung beklagen könnten - vielleicht geschieht dies ja auch an einigen Stammtischen - , aber bislang hatten wir vor allem Reaktionen von Reitern, die sich dank der Stilwertung intensiver mit dem WIE ihrer Geländereiterei befassen und nicht mehr nur auf den Erfolg in der Normalwertung fokussiert sind. Und wenn man einzelne Reiter, die an mehreren Qualifikationsprüfungen geritten sind, individuell unter die Lupe nimmt, so sind klare Leistungssteigerungen sichtbar. Es gibt durchaus auch Reiter, die auf der flachen Strecke von Frauenfeld gut aussahen und sich gewisse Defizite erst im hügeligen Gelände von Bülach zeigten, aber gesamthaft ist die Tendenz steigend. In Aarau gab es sogar Runden, die man als lehrbuchreif taxieren konnte, allen voran diejenigen der Erstplatzierten, aber auch bei vielen anderen Reitern gab es Phasen, die gut bis sogar brillant waren. Nun bleibt zu hoffen, dass diejenigen, die sich noch weiter hinten vorfinden, sich motivieren lassen, an den beanstandeten Mängeln zu arbeiten. Hauptprofiteur ist ihr Pferd, an zweiter Stelle profitiert der CC-Sport, an dritter Stelle ganz bestimmt auch sie selbst, sowohl körperlich wie geistig und emotional. Denn es fühlt sich unheimlich gut an, wenn man athletisch genug ist, dass der Kopf, der Nacken, die Schultern, die Ober- und Unterarme sowie die Hände mit allen Gelenken, der Oberkörper, die Hüfte, Ober- und Unterschenkel, das Fussgelenk, der Absatz - wenn alle diese Körperteile unabhängig voneinander bewegt und differenziert gespannt bzw. entspannt werden können. Es fühlt sich auch toll an, auf einem fiten und rittigen Pferd Wendungen zu reiten, Kombinationen zu springen, topographische Herausforderungen zu meistern, bei Absprüngen ruhig und balanciert zu bleiben - all dies hilft, geistig konzentriert und emotional ruhig zu bleiben, den Ritt geniessen zu können. Ja, man könnte sich als privater Zuschauer durchaus einmal darauf kaprizieren, als Kriterien für die Qualität eines Geländeritts den eigenen Puls beim Zuschauen und den Gesichtsausdruck der Reiterin zu beobachten. Wer den legendären Smile von Jenny Eicher kennt, wenn sie im Gelände unterwegs ist, der weiss sofort, dass sie wirklich Spass daran hat. Steffi Mylius und Sue Meerson schauen schon ganz ähnlich...

 

Hier vorerst einmal Fotos der Klassierten. Weitere folgen am 7.7.09

Fotos: Tamara Acklin


1. Benoît Johner, Ella des Lauriers, 8.5


2. Eva Siegenthaler, Nubia, 8.25


3. Steffi Mylius, Skysurfer, 8.0


4. Evi Kohler, Zero Diamond, 7.75


5. Davide Randone, Happiness S, 7.5


6. Sue Meerson, Amant, 7.5