Fotos von Sibylle Schmid - big thank you!
Danke an Michael Bossard für die Fotos vom 2*
(ta) Die Concours Complet Kaderreiter kamen am vergangenen Wochenende in den Genuss des ersten kompetitiven Kadertrainings im IENA Avenches. Eine Prüfung mit allen Teildisziplinen, erweitert mit medizinischen Tests, Livestream und Nervenkitzel – wie vor den Coronazeiten, nur ohne Rangliste.
Equipen-Chef und Tierarzt Dominik Burger und sein Team haben in den letzten Wochen einiges an Arbeit auf sich genommen, um den CC-Kaderpaaren trotz Corona-Umständen etwas Tolles bieten zu können. «Wir wussten vor ein paar Wochen nicht, ob es dieses Jahr überhaupt noch grosse internationale CC-Turniere geben wird. Unsere Kaderpaare müssen sich trotzdem für einen allfälligen späteren Saisonbeginn und das kommende Tokio-Jahr 2021 optimal vorbereiten können. Da eignet sich ein NASAK-Training mit Prüfungssimulation von A bis Z ideal. Ich glaube, dies ist sehr gut gelungen: die Reiterinnen und Reiter und ihre Pferde waren zu praktisch 100% voll im Wettkampf-Modus», erläuterte Burger seine Absichten. Alle Kadermitglieder reisten mit rund 40 Pferden nach Avenches, um von der einmaligen Gelegenheit zu profitieren.
Wettstein, Nicholson, McNaught...
Geneviève Pfister amtete am Freitag als Dressurrichterin und bewertete die Viersternprogramme der Elitepaare sowie die Dreisternprogramme der Jungen Reiter und des Perspektivkaders. Ernst Wettstein half den Reitern auf dem Abreitplatz bei der Vorbereitung, wie auch am Abend beim Einspringen für den ersten Springparcours. Anne Gerber konzipierte einen technisch sehr anspruchsvollen Kurs mit vielen kombinierten Linien. Nebst Wettstein war auch noch Lesley McNaught vor Ort und gab letzte Tipps vor dem Einritt bzw. erläuterte danach die Fehler. Ein zweiter Springparcours folgte am Sonntag. So konnte beobachtet werden, welche Pferde vor dem Cross, welche danach besser sprangen. An professioneller Unterstützung mangelte es keineswegs und wurde von den Reitern geschätzt. „Es ist super für uns Schweizer, dass wir in unserem Land diese Möglichkeit haben, in den Turnierrhythmus zu kommen und die Saison hier beginnen können. So sind wir dann bereit für Auslandstarts später im Jahr“, so Robin Godel. Das erfahrenste Kadermitglied Felix Vogg reiste mit drei Viersternpferden und einem Nachwuchspferd an. „Die Bedingungen hier sind besser wie an manch anderen Auslandturnieren. Die Bodenverhältnisse sind oftmals weniger optimal wie hier. Zudem ist es auch eine gute Sache für den Teamgeist“, so Vogg.
Neues Cross für alle
Es wurden eigens für diese kompetitiven Trainings drei Lastwagen mit Geländehindernissen aus Frankreich geliefert, um den Reitern Cross-Strecken auf den jeweiligen Niveaus ihrer Kaderzugehörigkeit zu bieten. So wurde sichergestellt, dass die Elitepaare über einen Viersternekurs, die Jungen Reiter und Perspektiv-Mitglieder über einen Dreisternekurs gefordert und gefördert wurden. Die Junioren absolvierten am Sonntag einen Springparcours und am Nachmittag ein Zweisterngelände. Peter Hasenböhler und Ernst Beer zeichneten verantwortlich für den Aufbau der Strecken, die wie damals an der Pony-Europameisterschaft im IENA-Grasrennbahn-Innenteil aufgebaut wurden. Diese Strecken boten mit den Rennbahnhürden tolles Ambiente und selbst Pferde, die oft schon in Avenches trainieren waren, trafen eine total neue Situation an. „Es war herausfordernd, drei fünfminütige Strecken zu bauen. Diese erste Trainingsprüfung ist auch eine Art Test herauszufinden, wie diese Anlage funktioniert - ob die Anzahl Galoppstrecken zwischen den Hinderniskomplexen reichen, um in die Idealzeit zu reiten. Trotz dem flachen Terrain kann mit den Gräben zwischen den Bahnen das Gleichgewicht der Pferde und die Reaktion der Reiter getestet werden. Die Anlage ist ideal für diese Art von Prüfungen und gleicht den Verhältnissen in Tokio. Ich glaube, wir können hier modernen Sport bieten und auch lange Prüfungen wären möglich. Für mich wird ein Traum wahr, hier so aufbauen zu können“, so Hasenböhler. Die Reiter waren vom Cross begeistert. „Wahnsinn, was in so kurzer Zeit mit Liebe zum Detail und Blumen hergerichtet wurde. Da steckt viel Herzblut drin“, empfand Eveline Bodenmüller.
Selbstverständlich durfte auch Coach Andrew Nicholson nicht fehlen, der aus Grossbritannien eingeflogen wurde und mit den Reitern die Geländestrecken abging und ihnen die nötigen Inputs gab. „Es ist eine super Anlage hier und eine tolle Möglichkeit für die Reiter. Ich habe die Gesichter der Reiter vor den Starts beobachtet. Sie waren allesamt nervös wie wenn es eine offizielle Prüfung wäre und das ist genau das, was sie jetzt brauchen. Sie sollen wie an einem Turnier kompetitiv reiten. Mir ist lieber, es unterlaufen ihnen Fehler, weil sie versuchen, angriffig zu reiten, als wenn sie langsam fehlerfrei drüber kommen. Dafür sind Trainings da, auch mal was auszuprobieren und die Komfortzone etwas zu verlassen. Spannend war auch zu sehen, dass die Resultate sehr ähnlich ausfielen wie diejenigen in den letztjährigen Prüfungen. Es ist eine super Sache und Vorbereitung für alle“, so der Neuseeländer.
Wissenschaftliche Studien
Ein 12-köpfiges Tierärzte-Team des ISME Avenches und Bern nutzte die Gelegenheit, leistungsphysiologische, stress-spezifische und biomechanische Forschung an den Pferden zu betreiben. Sie untersuchten die vierbeinigen Athleten jeweils unmittelbar vor und nach ihren Einsätzen in allen Disziplinen. Nicht nur das Gewicht, die Augen- und Körpertemperatur wurden mehrfach gemessen, die Pferde wurden in allen Disziplinen mit einem Gurt mit Sensor ausgestattet, der jeden Galoppsprung und Herzschlag festhielt. Nach dem Cross wurde das Laktat gemessen und unmittelbar vor jedem Einsatz wurden weitere Sensoren direkt am Gurt angebracht, um jeden einzelnen Sprung und den Bewegungsablauf vor- und nachher aufzuzeichnen. Beim Vortraben am Freitag- bzw. Sonntagmorgen wurden Sensoren direkt am Pferd angebracht, um eine Ganganalyse zu ermöglichen. Ziel der Studie sind Antworten zu finden auf Fragestellungen wie der Zusammenhang von Muskelenzym-Werten nach dem Cross mit der Springtechnik am Sonntag, Auswirkungen von allfälligen Arrhythmien des Herzens, der Umgang mit Hitze und Luftfeuchtigkeit, ob sich nicht sichtbare, objektiv gemessene Gangasymmetrien auf das Dressurresultat auswirken, etc. „Eine tolle Sache mit all den Untersuchungen, dank denen wir Werte über unsere Pferde kennenlernen“, so Elitereiter und Reitlehrer Patrick Rüegg.
Livestream
Um noch mehr Spannung aufzubauen und die Nerven der Reiter zusätzlich zu testen, wurde der Geländeritt mit den Rennkameras gefilmt und per Livestream übertragen. So konnten Interessierte zuhause mitverfolgen, was im Cross lief. «Die Belastung sollte sein, wie wenn es richtig gilt, aber ohne die Pferde physisch zu ermüden. Der Ablauf war vorgegeben, jeder musste zu seiner Startzeit bereit sein – das Ziel ist erreicht, die Paare konnten endlich eine erste Prüfung reiten und überprüfen, wo sie technisch stehen. Alle freuen sich bereits auf die nächsten Austragungen in drei und sechs Wochen. Nach all diesen Events inkl. Schweizermeisterschaft im September sind alle bereit, an den geplanten und hoffentlich noch stattfindenden Turnieren im Süden zu glänzen», so die Strategie eines zufriedenen Equipenchefs, der unendlich viel Energie in dieses erste, erfolgreiche Wochenende steckte. Die Reiter waren sich einig, ein super lehrreiches und tolles Wochenende erlebt haben zu dürfen und freuen sich bereits auf das nächste Treffen. Das CC-Schiff ist voll auf Kurs.