RESULTATE: www.military-boekelo.nl
Course-Walk mit Sue Benson, Course-Designer: hier das Video
Fotos: Heinz Giesswein
Alle vier Schweizer Paare bewältigten das anspruchsvolle Gelände des CCIO*** Boekelo fehlerfrei; Jrina Giesswein und Thunder gelang auch noch eine Blankorunde im Springen, was die beiden im international stark besetzten Feld von 107 Startern auf den 27. Schlussrang - und damit noch in die Klassierung brachte.
Doris Weidmann und Hector Molfront, 35.
Sébastien Poirier und Tarango de Lully, 46.
Tamara Acklin und Belle Mykena, 65.
nochmals Jrina und Thunder: ein gutes Beispiel für Parcours-Übersicht
updated 21.10.10; 20.15h/cam. Boekelo trägt einen der wenigen CCIO*** mit Mannschaftswertung aus und gehört neben Cameri zu den letzten Dreisternprüfungen auf dem Kontinent. Für die jüngeren in Europa stationierten Pferde ist der Saisonhöhepunkt in der Folgewoche in Le Lion d'Anger mit der 'Weltmeisterschaft' der 6- und 7-Jährigen. Die Schweiz konnte mit einer kompletten Mannschaft antreten in Boekelo, das von der sportlichen Leitung aus als Abschluss der begleiteten und bei guter Leistung mitfinanzierten Prüfungen ausgewählt worden war.
In der Dressur liegt noch mehr drin!
In der Dressur zeigten alle vier Paare ansprechende Leistungen, die von den sehr streng richtenden Juroren mit 56.4 (Doris Weidmann/Hector Molfront), 56.8 (Jrina Giesswein/Thunder), 58.0 (Tamara Acklin/Belle Mykena) und 63.4 (Sébastien Poirier/Tarango de Lully) recht dicht beieinander bewertet wurde. Am besten lotete Doris Weidmann das aktuelle Potenzial ihres Pferdes aus, indem sie ihren nervlich recht delikaten Hector geschickt, sehr präzis und fehlerlos durchs Programm steuerte. Jrina Giesswein zeigte Thunder locker und ritt ebenfalls sehr genau, konnte aber nicht die ganz Palette des Könnens ihres tollen Holländers abrufen und verpatzte einen fliegenden Wechsel. Tamara Acklin zeigte mit Mykena eine stark verbesserte Trab-Tour mit echter Versammlung und durchgehaltenen Verstärkungen, blieb aber im Galopp noch etwas verhalten. Sébastien Poiriers talentierter Wallach Tarango konnte sein grosses Potenzial aufgrund seines heiklen Nervenkostüms nicht ganz entfalten. Alle vier Paar können mit entsprechend konsequenter und regelmässiger Winterarbeit im Frühling durchaus Resultate unter 50 Strafpunkten erzielen.
Tolle Schweizer Geländeleistung
Alle vier Paare blieben fehlerlos im anspruchsvollen Gelände und unterschieden sich nur im Mass der Zeitüberschreitung. Die Schnellsten waren Doris und Hector mit 21 Sekunden, gefolgt von Jrina/Thunder mit 34 Sekunden, Sébastien/Tarango mit 44 und Tamara/Mykena mit 78 Sekunden. Diese doch recht geschlossene Mannschaftsleistung war keineswegs selbstverständlich, konnten doch immerhin 16 der 107 Dressurstarter die Cross-Strecke nicht beenden, 6 starteten gar nicht zum Gelände und 8 blieben im sonntäglichen Vet-Check hängen. Auch Top-Stars schieden aus, darunter Berühmtheiten wie die vier Britinnen Mary King, die in Kentucky zum Goldteam gehörte (Sturz beim Einsprung in die erste Wasserkombination 9), Jeannette Breakwell (unschöner Sturz bei Schweinsrücken-Kombination 20), Jodie Amos (2 Verweigerungen und Sturz bei der ersten Wasserkombination), Zara Phillips (ebenfalls Sturz im ersten Wasser), WM-Bronzemedaillist Andrew Nicholson musste 2 Verweigerungen hinnehmen, eine davon am stark klassierenden Kretensprung 22c, der auch der niederländischen Lokalmatadorin Alice Naber-Lozemann und dem Franzosen Rodolphe Scherer zum Verhängnis wurde.
Hier mal ein paar erste Bilder von der klug gebauten Strecke, die mit wunderschön dekorierten Sprüngen auch für's Auge etwas hergab:
Das Bild täuscht ein wenig: wegen der Breite wirkt der Sprung weniger hoch. Er war aber durchaus auf 3*-Höhe.
Bei diesem liebevoll und grosszügig gestalteten Sprung sieht man aus dieser Optik nicht, dass er beeindruckend tief war und das Springvermögen testete.
Die erste technische Klippe war die Kombination 7 mit Hecke und Ecke. Gegen Ende der Strecke wurde diese Aufgabe deutlich schwieriger noch einmal gestellt.
der schmale Sprung 9A, bei dem beim vorderen Element auch keine Fanions das Pferd vom Vorbeilaufen abhielten, musste aus einer Rechts-Links-Wendung angeritten werden. Unmittelbar nach dem Landen ging die direkte Linie mehr als rechtwinklig nach rechts zu einem offenen Graben und dann ins Wasser, die Alternative ging über die unten abgebildete Hecke und dann etwas weniger scharf rechts ins Wasser. Sei es wegen des etwas hohen Wasserstandes, sei es wegen der Bodenbeschaffenheit, es kam auf jeden Fall zu erstaunlich vielen Stürzen und Stolperern im Wasser. Aber auch der Einsprung mit der scharfen Wendung forderte einige Opfer, darunter wie oben erwähnt auch sehr prominente.
Auf dem direkten Weg war 9B ein Wassergraben, den man in der Mitte links erahnt, mit folgendem Wassereinsprung 9C, den man links oben im Bild angeschnitten sieht. Der alternative Weg führte durch diesen Graben hindurch und über die in der Bildmitte sichtbaren Sprünge C und D. Beide Wege führten anschliessend scharf links über den schmalen Aussprung 9E:
Nr. 10 war ein offener Oxer, ein lange verpönter Sprung, den man wieder häufiger sieht.
Das Eulenloch ist ein bereits klassischer Sprung - und so allein auf weiter Flur auch nicht weiter aufegend, wäre da nicht die Folge B und C auf gebrochener Linie:
Auch bei Nr. 12 lag die Schwierigkeit nicht beim A, sondern bei der unmittelbar folgenden 180Grad-Wendung nach rechts zu einer nach rechts offenen, etwas luftigen Ecke:
ebenfalls ein wenig geliebter Klassiker: die Heuraufe mit dem falschen Fuss, hier aber durch leckere Karotten-Körbe gemildert
den breiten Graben unter dem Sprung sieht man aus dieser Optik nicht - die Pferde sahen ihn allerdings auch kaum. Hier gilt das alte Prinzip von Badminton-Bauer Frank Weldon: "Frighten the rider, encourage the horse"
zu 17B, einer Hecke mit tieferer Landestelle, gabs eine grosse Diskussion wegen unnötiger Stauchung junger Pferde etc., bis schliesslich nur noch ein Hupferl nach unten blieb, das an der Absprungstelle etwas gar wenig markierte.
Auch das zweite Wasser klassierte stark. Wie schon im ersten schien auch hier der Boden nicht ganz optimal und es kam zu einigen Stürzen. Auch Doris Weidmann hatte hier einen bangen Moment zu überstehen, als Hector nach der Landung stolperte. Hier die wasserfreudige Mykena im Flug und nach der Landung.
Den hässlichsten Sturz gab es wider Erwarten am ersten dieser beiden mit schöner Oberlinie freundlich gestalteten Sprünge. Die erfahrene Championatsreiterin Jeanette Brakewell kam hier beinahe unter ihr sich überschlagendes Pferd zu liegen.
Den mächtigen Hochweitsprung aus der Scheune gibt es auch schon seit vielen Jahren. Da die Pferde oft etwas mehr Mühe haben mit der schnellen Hell-Dunkel-Adaptation der Augen als wir Menschen, wurde mit knalligem Orange die Oberlinie markanter gemacht.
Unmittelbar auf die mächtigen Kisten 22A und B folgte nach einer scharfen Rechtswendung der Kretensprung C, der erstaunlich viele Fehler provozierte.
Unmittelbar vor Schluss wurden noch einmal Rittigkeit, Steuerbarkeit, Präzision und Springvermögen getestet.Graben mit Hecke, gefolgt von scharfer Linkswendung auf das schmale B-Element.
Auch der letzte Sprung musste bei aller Blumenpracht noch korrekt angeritten werden - die Erinnerung an die Stürze deutscher Teilnehmer an den letzten beiden Hindernissen in Kentucky war noch wach.
Stark klassierendes Springen
Es ist eine alte Weisheit, die aber einem (Nur-)Springreiter schwer zu vermitteln ist: Nach einer langen, schnellen Geländestrecke, in der flache, weite Springkurven gefragt waren, ist das Absolvieren eines 125 bis 130cm-Parcours eine delikate Angelegenheit. Die einen Pferde sind etwas müde, haben leichten Muskelkater, andere sind noch aufgekratzt und zeigen sich weniger rittig als sonst, wieder andere springen noch etwas flach und weit, sodass sie mit den Distanzen Mühe kriegen und so weiter. Andererseits zeigt der abschliessende Springparcours natürlich auch die unterschiedliche Klasse, die ein CC-Pferd in dieser Disziplin mitbringt. Zur Freude nicht nur der Reiterin, sondern auch des holländischen Publikums und der Medien zeigte der holländisch gezogene Thunder von Jrina Giesswein eine überlegen fehlerfreie Runde, bei der es keinen Moment des Bangens und Zitterns gab. Kaum aus dem Platz kamen Pferdesport-Journalistinnen, die alles über Thunder und seine Laufbahn wissen wollten. Andrew Nicholson kam allerdings bereits nach dem Cross und brachte seine Anerkennung für die leichte und effiziente Galoppade und den sicheren Sprung des grossrahmigen Wallachs zum Ausdruck.
Die drei anderen Schweizer hatten wesentlich mehr zu kämpfen. Doris Weidmann verlor ihre Teamspitzenposition, die sie nach guter Dressur und schnellem, fehlerfreiem Gelände verdient innegehabt hatte, wegen drei Abwürfen ihres im Parcours gern etwas hektischen Hector, Sébastien Poirier pilotierte seinen heissen Tarango äusserst geschickt durch die Klippen des Parcours und musste erst in der abschliessenden Dreifachkombination zwei Abwürfe hinnehmen. Völlig von der Rolle schien Belle Mykena, die schon auf dem Vorbereitungsplatz nicht recht rund zu kriegen war und gleich fünfmal patzerte. Dies ist umso enttäuschender, als sie bei den beiden letzten Auftritten im Parcours von Dreisternprüfungen einen ausgezeichneten Eindruck hinterliess.
Teamfähigkeit
Boekelo war nicht zuletzt auch ein Test für die Mannschaftstauglichkeit der Eidgenossen im Hinblick auf die EM in Luhmühlen im kommenden Jahr. Die Schweizer Mannschaft belegte den erfreulichen 6. Schlussrang und funktionierte auch bei der Ausmarchung der Startreihenfolge und der gegenseitigen Unterstützung gut als Team. Equipenchef Frank Wettstein bemühte sich auch sehr, alle immer mit den nötigen Informationen und Unterlagen zu versorgen. Dass beim gemütlichen Teil noch Steigerungsmöglichkeiten vorhanden sind, ist dabei eine eher marginale Beobachtung. Wichtiger scheint mir, dass sich die ReiterInnen klar äussern, mit wem sie sich auf die jeweilige Teilprüfung vorbereiten wollen. Meines Erachtens darf man sich in dieser Rolle des Vorbereitungshelfers sowieso nicht allzu wichtig nehmen. Es geht ja nicht darum, den DreisternreiterInnen das Reiten beizubringen, sondern nur darum, helfend und unterstützend dafür zu sorgen, dass das Paar guter Dinge ins Viereck, auf die Strecke bzw. in den Parcours gelangt.
Witziges
Die lange Linie 5-6-7 im Springparcours wurde mit 5 und 6 Galoppsprüngen dazwischen ausgemessen. Coach Hansueli Schmutz sinnierte, wie es sei, wenn man über 5 gross reinfliege und meinte, dann müsse man mit je einem GS weniger weiter. Auf seinen eigenen Einwand "Me sött nid müesse!" - erhielt er die Ergänzung: "Aber we me mues, sött me!"
Königinnen-Enkelin Zara Phillips kam nach erstaunlich kurzer Zeit aus dem Cross zurück, und dies erst noch nicht auf der üblichen Route. Auf die Frage, was passiert sei, hob sie sich nur kurz aus dem Sattel, worauf es aus ihren pflotschnassen Hosen runtertropfte. Sie hatte sich nicht etwa in die Hosen gemacht, sondern war - wie einige andere auch - im ersten Wasser baden gegangen.
Der europaweit als nicht übertrieben schüchtern und zurückhaltend bekannte Schweizer Pferdehändler Eric Attiger gab zu vorgerückter Stunde zu, dass er seine Aggressivität manchmal ganz gezielt einsetze und damit durchaus erwünschte Wirkungen erziele. So habe er vor zwei Jahren in Pompadour, als so ziemlich alles schief lieg, die Jury zu spät kam, die Stallungen unter Wasser waren und der Zeitplan im Chaos versank, die Tür zum Jurywagen mit dem Fuss aufgetreten, sodass sie gleich aus den Angeln fiel, den Präsidenten am Kragen gepackt und geschüttelt und einer Richterin den Stuhl weggezogen, sodass sie hintüber kippte. Dazu habe er getobt und den Verantwortlichen die Leviten gelesen. Dann sei er verhaftet und in Handschellen aufs Revier geführt worden, wo er zuerst einmal einen Alkoholtest machen musste, der ihn allerdings als nüchtern erwies. Dem Polizisten erklärte er, er sei keineswegs betrunken, aber er habe 13 Pferde im Wert von rund einer Million Euro auf Platz und sei deshalb so sauer. Darauf hätte er mit dem Polizisten einen Drink genehmigt und sei wieder entlassen worden, durfte allerdings den Turnierplatz nicht mehr betreten. - Im Jahr drauf sei in Pompadour alles wunderbar organisiert gewesen, alles, was er beanstandet hatte, hätte nun geklappt - und er sei von allen mit ausgesuchter Höflichkeit begrüsst worden, sogar von der besagten Richterin, der er zu einem Rückwärts-Salto verholfen hatte...
Im Unterschied zur letzten EM der Springreiter und zu vielen CC-Veranstaltungen in der Schweiz wimmelte es in Boekelo von Zuschauern. Wobei der Begriff 'Zuschauer' nicht ganz stimmig ist. Es waren Tausende von Leuten da, aber nur wenige schauten sich wirklich das sportliche Geschehen an. Die grosse Ladenstrasse, an der vom Whirlpool über Sofas bis zu grauslichen Wachspuppen alles Mögliche und vor allem auch Unmögliche zu haben war, erinnerte mehr an einen Jahrmarkt als an ein pferdesportliches Turnier. Und auf der Geländestrecke gab es ganze Auto-Ausstellungen, denen es gelang, das Interesse ihrer potenziellen Kundschaft von den vorbeigaloppierenden 1-PS'lern auf ihre Viel-PS'ler zu lenken. Auch als der Sieger und die Klassierten längst am Verladen waren, ging der Betrieb munter weiter. In der Nacht von Samstag auf Sonntag soll das Volksfest teilweise aber so ausgeartet sein, dass die Zelte geschlossen und geräumt und ein paar Alkoholleichen abtransportiert werden mussten. Auf jeden Fall könnte man bei den Holländern bestimmt etwas lernen, was die Attraktion von Publikum betrifft. Oder liegt es vielleicht am Volks-Charakter, dass jedes Ereignis in Holland zur Party wird?